UEFA & Glaubwürdigkeit: Werte für die Hochglanz-Galerie

von Prof. Dr. Harald Lange


Die UEFA legt seit 2008 regelmäßig Neuauflagen einer von ihr selbst so benannten „Respect Kampagne“ vor, die jeweils von prominenten Fußballern begleitet und medial aufwändig inszeniert wird. Dabei handelt es sich um die Idee, die gesellschaftlicher Verantwortung des Fußballs für eine Kampagne zu nutzen, die das Thema der „sozialen Verantwortung“ transportieren soll.

Soziale Verantwortung


Eine wahrlich gute Idee, denn der Fußball ist – historisch und kulturell betrachtet – immer ein Feld gewesen, in dem sich Gelegenheiten für das Übernehmen sozialer Verantwortung ergeben haben. Wie in allen anderen Lebensbereichen wurden diese Gelegenheiten auch im Fußball mal besser und mal schlechter bzw. gar nicht genutzt. Fußball ist also nicht per se ein Garant für den Transport von Themen aus dem Feld der sozialen Verantwortung, sondern er wird immer erst von den Menschen, die ihn organisieren, ihn begleiten und ihn spielen zu einem solchen gemacht.

In der Nagelprobe zeigt sich Glaubwürdigkeit

Die Debatte um die vom Münchner Stadtrat für den 23. Juni (Deutschland – Ungarn) beantragte und von der UEFA nicht genehmigte Illumination der Münchner Allianz Arena markiert aktuell die Nagelprobe dieser Kampagnen. Konkret: Die Chance, die Glaubwürdigkeit dieser seit mehr als 13 Jahren laufenden „Respect Kampagnen“ unter Beweis zu stellen, wurde unumwunden vergeben.

Unter Zimmerleuten gilt es als Ausweis der handwerklichen Kompetenz und guter Brauch einen Nagel in drei Schlägen gekonnt und gerade einzuschlagen. Ein Zimmermann, der sich dann – wenn sich die Gelegenheit bietet – die Nagelprobe verweigert, wird in seiner Zunft fortan ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Vor allem dann, wenn er zuvor bei jeder sich bietenden Gelegenheit geprahlt hat, dass er alle möglichen Nägel situativ-variabel und mit absoluter Sicherheit einschlagen werde.

In der gleichen misslichen Lage befindet sich die UEFA seit dem 23. Juni diesen Jahres. Nachdem das Parlament in Ungarn Mitte Juni ein Gesetz verabschiedet hatte, in dem u.a. die Informationsfreiheit zum Thema Homosexualität an den Schulen und im Fernsehen des Landes eingeschränkt wurde, formierte sich europaweit Widerstand gegen diese – homophob einzustufende – Gesetzgebung. Fortan erfuhr die Regenbogenfahne europaweit einen Bedeutungsanstieg. Die Farben wurden – häufiger als zuvor – als Statement für Gleichberechtigung, Solidarität, Respekt, Toleranz und vor allem als Symbol gegen Homophobie verwendet.

Chance vergeben (…)

So gesehen hätte die UEFA eine riesengroße Chance nutzen können, allen Zweiflern an der Glaubwürdigkeit dieser Institution zu zeigen, dass man es mit den „Respect-Kampagnen“ seit mehr als einem Jahrzehnt ernst meint und entsprechende Statements auch dann abgibt, wenn sie treffen. Das wäre beim Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Ungarn, nur wenige Tage nach der abwegigen Gesetzgebung der Fall gewesen. Der Münchner Stadtrat hatte beantragt die Allianz Arena in den Regenbogenfarben zu illuminieren, um damit gerade wegen der gegebenen Aktualität ein unmissverständliches Statement zum Ausdruck zu bringen. Die Europäische Fußball-Union lehnte diesen Antrag jedoch ab und zog sich auf eine formal korrekte, aber fadenscheinige Begründung zurück: Die UEFA sei gemäß ihrer Satzung eine politisch neutrale Organisation und da sich der Münchner Stadtrat in seinem Antrag explizit auf die Gesetzgebung in Ungarn bezogen hatte, wurde ein politischer Kontext geschaffen. Genau deshalb blieb der UEFA nach ihrem eigenen Selbstverständnis (in diesem Fall) gar keine Wahl: Der Antrag musste abgelehnt werden.

Hohle Phrase statt „Farbe bekennen“

Über die nichtssagende Floskel des vermeintlich unpolitischen Verbandes bzw. Sports soll an anderer Stelle diskutiert werden. Auch über die Charakteristik der Situationen und Anlässe, zu denen man sich dieser Floskel bedient und denen, an denen diese hohle Phrase unkommentiert in der Satzung verbleibt.

Die Chance, Farbe zu bekennen, wurde vergeben und das Image eines Kampagnen Verbandes wurde deutlich herausgestellt. Statt den Nagel dann einzuschlagen, wenn sich die Gelegenheit bietet, wurde der Stadt München angeboten das Stadion an anderen Tagen in den Regenbogenfarben zu beleuchten. Beispielsweise am 28. Juni, dem Christopher Street Day, oder zwischen dem 3. und 9. Juli. In diesem Zeitraum finde die CSD-Woche in München statt. Der Sinn dieser Alternativvorschläge verbleibt in einer überaus vagen Sphäre, denn an keinem der vorgeschlagenen Termine finden Spiele der Fußball-Europameisterschaft in München statt.

Die Luft aus dem PR-Ball ist raus

Das Beispiel um die Illumination der Münchner Fußballarena hat der aufwändigen UEFA „Respect Kampagne“ endgültig den Boden unter den PR-Füßen weggezogen. Wer solche Nagelproben vergeigt, zeigt damit, dass er die propagierten Werte lediglich als Teil seiner PR-Maschinerie für die eigene Hochglanz-Galerie gebrauchen mag. Dabei hätte das regenbogenfarbene Fußballstadion beim Spiel Deutschland -Ungarn am 23. Juni eine überaus eindrückliche Plattform für die UEFA sein können. Der Verband hätte Haltung zeigen können. Genauso wie es Leon Goretzka in seinem Torjubel zum 2 zu 2 getan hat. So etwas gelingt, wenn man tatsächlich eine entsprechende Haltung hat. Ansonsten bleibt festzustellen, dass der UEFA „Respect-Kampagne“ am 23. Juni die Luft ausgegangen ist. Falls man sich traut, weitere dieser Videoclips zu produzieren und zu zeigen, wird die Allianz Arena im Hintergrund leuchten und ein entsprechendes Licht auf das Glaubwürdigkeitsthema strahlen.