Ethik als Spielball

Mein Kommentar zu einem ganz schwachen Spiel (…)

Von Prof. Dr. Harald Lange

In der sich neuformierenden Ethikkommission des DFB kehrt statt Ruhe ein unfassbarer Vorwurf ein: Fälschung! Die Süddeutsche Zeitung zitiert in ihrer Ausgabe vom 30. Juni 2021 das ehemalige Mitglied der Kommission Bernd Knobloch mit Blick auf einen aktuellen Brief aus der DFB-Ethikkommission unmissverständlich: „Hier wurde die Stellungnahme der alten Kommission verfälscht.“

Machtspiele

Machtspiele gehören – ebenso wie das Geld- untrennbar zum Spitzenfußball dazu. Demgegenüber erfüllen vermeintliche Werte des Sports vielerorts nur noch folkloristische Funktionen. Begriffe wie „Chancengleichheit“, „Toleranz“, „Fairplay“, „Solidarität“ und ein „humanes Miteinander“ sind im Zuge der Machtkämpfe an der DFB-Spitze von fast allen Beteiligten (und vielen so genannten kritischen Beobachtern) schwungvoll ins Abseits gestellt worden. Auch der für die Moderation und Klärung in diesen Fragen eingerichtete „Videoschiedsrichter“, die auf dem DFB Bundestag 2017 installierte Ethikkommission, ist spätestens im Zuge der diversen Anzeigen und Gegenanzeigen der Top Funktionäre Teil dieses unwürdigen Spiels geworden.

Weshalb lässt sich die Ethikkommission in das Spiel hinein ziehen?

Die Kommission hat dieses Spiel in den zurückliegenden Monaten bereitwillig angenommen und auch verstanden wie Machtspiele in unserer aktuellen Fußballwelt gespielt werden. Offensichtlich hatten diese Ethiker (als Gruppe) Probleme mit ihrem Rollenverständnis. Die Frage, wer denn nun den Vorsitz bekommen soll, war zur alles entscheidenden Machtfrage avanciert. Weitaus wichtiger als die Herausforderung in einem derart aufgewühlten Verband dafür Sorge zu tragen, wie die Botschaft des DFB-Ethikkodex auf allen Ebenen des Verbandes mit Leben gefüllt werden kann. Damit wird dieser – durchaus lesenswerte – Ethikkodex zu einem Papiertiger degradiert. Auszüge daraus lesen sich – mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse im Deutschen Fußball – wie Teile einer schlechten Realsatire:

„Der DFB bekennt sich zu Qualität, Objektivität, Ehrlichkeit, Fairness und Integrität als zentrale Voraussetzungen für den gemeinsamen Erfolg.“ (DFB-Ethikkodex)

Niemand will die Karten auf den Tisch legen

Für den außenstehenden Beobachter bieten sich derzeit viele Möglichkeiten dieses unwürdige Machtspiel einzuordnen und zu verstehen. Dabei haben alle aktiv beteiligten Mitspieler eines gemeinsam: Niemand legt die Karten vollends auf den Tisch. Niemand sorgt für Transparenz, so dass wir uns jenseits aller Verdachtsberichterstattung, Mutmaßungen und Machtspiele selbst ein Bild von den Fakten machen können.

Die Süddeutsche Zeitung heizt das Spiel an

Die SZ ist ganz nah an diesem Thema dran, denn sie empfängt und verarbeitet seit Wochen durchgesteckte Informationen zu und aus diesem Machtspiel. Neben den Indiskretionen einiger DFB-Funktionäre tauchen aber auch handfeste Zitate ehemaliger Mitglieder der DFB-Ethikkommission auf. In der Onlineausgabe vom 30. Juni 2021 (18,56 Uhr) wird von einem Schreiben aus der Ethikkommission berichtet, dass an Bibiana Steinhaus gerichtet ist und offensichtlich darauf abzielt, die durch das Telefonat zwischen Koch, Steinhaus und dem Sportbild Journalisten ausgelöste „Irritation“ nicht im Zuge eines DFB Gerichtsverfahrens, sondern im Zuge eines klärenden Gesprächs zwischen Koch und Steinhaus aus dem Weg zu räumen.

Bedauerlicherweise wird weder der Brief, noch die in dem Artikel thematisierte Beschlussfassung der alten Ethikkommission transparent gemacht. Mit einer Veröffentlichung beider Schriftstücke könnte sich der interessierte Beobachter zweifelsohne ein Bild vom Fall machen. Stattdessen wird ein unfassbarer Vorwurf formuliert:

„Der Jurist Knobloch stellt daher zu dem an Steinhaus ergangenen Schreiben klar: „Hier wurde die Stellungnahme der alten Kommission verfälscht““

Fälschung (…) in der neuen Ethik Kommission?

Da uns die originalen Dokumente vorenthalten werden und wir uns selbst kein Bild vom eigentlichen Fall machen können, werden wir mit diesem Zitat auf eine ganz andere Spur gesetzt. Wiederum im Kontext der Verdachtsberichterstattung, denn die Fakten bleiben auch diesmal im (geheimen) Hintergrund.

Aus diesem Grund fordere ich: Lasst uns doch endlich mal die Fakten prüfen. Es scheint doch ein einfacher Brief aus dem Büro der Ethikkommission zu sein, dessen Wortlaut möglicherweise bereits auf der Basis von aufgeklärtem Alltagsverstand geprüft werden könnte.

In der SZ wird stattdessen ganz weit ausgeholt

„Zur Klärung braucht es nun, da der Vorwurf eines möglichen Fehlverhaltens seitens der neuen Ethiker dokumentiert im Raum steht, völlig unabhängige Stellen, die darauf blicken. Der renommierte Strafrichter Hans-Joachim Eckert, der als Ethik-Chef des Fußball Weltverbands 2015 den Fifa-Patron Sepp Blatter aus dem Amt befördert hatte, schätzt die Sache so ein: „Das muss durch neutrale Leute aufgearbeitet werden. Das ist kein Vorgang mehr, den der Restbestand der Ethikkommission in Eigenregie abhandeln kann.““

Ob man für die Klärung das in Rede stehenden Telefonats/Falles tatsächlich einen Strafrichter braucht? Jemanden wie Hans Joachim Eckert, der sich recht früh selbst ins Spiel gebracht hat? Ich würde die Bälle flach halten, denn ich kann mir nicht vorstellen das der zu analysierende Text (und Vorgang) tatsächlich so kompliziert ist, wie es der SZ Artikel uns glauben machen will (…)

Vorschlag:

Aktuell würde ich in fünf einfachen Schritten vorgehen, die ich im Folgenden als Leitfragen formuliere

1) Wie genau lautet der Wortlaut der Stellungnahme der alten Kommission?
2) Wie lautet der Wortlaut in dem an Steinhaus ergangenen Schreiben?
3) Gibt es eine Differenz?
4) Falls ja,
welche Interpretation lässt diese Differenz zu?
5) Falls nein:
Welche Interpretation lässt das Knobloch Zitat in der SZ zu?


Wer besorgt mir diese Dokumente und diesen Brief?


Im zweiten Teil des SZ Artikels vom 30. Juni wird der Fall weitaus vorsichtiger dargestellt.

„Die Frauen-Initiative brachte den Fall vors Ethikkomitee – und das führte unter Leitung Knoblochs Anhörungen durch. Danach befanden die Ethiker, Steinhaus und Koch sollten ein Gespräch führen, und dann unabhängig voneinander ihre Rückmeldungen an die Kommission geben.“

Das klingt für mich vergleichsweise harmlos. Lässt auch – andersherum gedacht – die Frage zu, ob die Anzeige dieses Vorfalls ggf. überzogen war? Oder gar ein Versuch war, die Ethikkommission für eigene Machtinteressen zu instrumentalisieren?

Die vielen Fragezeichen sind die Folge von Verdachtsberichterstattung Das ist unterhaltsam, aber mindestens so lange unredlich, wie der Verdacht nicht zweifelsfrei belegt ist. Da alle Zitate in dem SZ Artikel darauf hindeuten das dem Journalisten sowohl die Stellungnahme der alten Kommission wie auch das Schreiben an Frau Steinhaus vorliegen frage ich mich weshalb die Herren Kistner und Aumüller diese 5 Punkte umfassende Analyse nicht selbst machen und sauber vorlegen.

Weshalb werden die Karten nicht auf den Tisch gelegt? Wer besorgt mir diese Dokumente und Briefe?