EURO 2020 Zwischenbilanz
Eine Antwort auf die Frage weshalb die UEFA nichts ändern wird
Von Prof. Dr. Harald Lange
Die Chefstrategen der UEFA und ihre Gefolgsleute haben ihr Programm schnörkellos durchgesetzt: Noch drei Spiele bis zum Ende dieses unsäglichen Spektakels. Die EM 2020 ist erstmals seit vielen Jahren ohne die breit angelegte Begeisterung vergangener Turniere ausgekommen. Zumindest in Deutschland, aber auch in vielen anderen europäischen Fußballnationen. „Macht nichts“ würden die UEFA Bosse sagen, denn ungeachtet aller Kritik steht zweifelsfrei fest, dass sich die wichtigsten Erwartungen für die UEFA erfüllen werden:
Vier erfüllte UEFA Ziele
1) Irgendeine Mannschaft wird das Turnier gewinnen und selbst die Gefahr einer durch die Delta Variante aufkommenden vierten Welle der totbringenden Corona Pandemie wird nicht ausreichen um diese skurrile Inszenierung des Kommerzfußballs in einem ausverkauften Wembley Stadion zu stören.
2) Es werden Fernsehbilder mit jubelnden und feiernden Fans in alle Welt transportiert, so dass auch die Sponsoren aus Asien oder Russland auf ihre Kosten kommen.
3) Der Umsatz für die UEFA wird die 2 Milliarden Euro Grenze übertreffen (…)
und das wichtigste:
4) Der Verband hat der Welt vorgeführt, dass er die Politik vollends in der Hand hat und das es den UEFA Offiziellen gelingt die Strahlkraft des Fußballs im europaweiten Spiel zwischen Machthabern mit unterschiedlich ausgeprägtem Talent zum Populismus und diktatorischen Ambitionen für das Durchboxen ihrer primären Interessen zu nutzen.
Das pragmatische Geschäft im Lichte der großen Illusion
So werden sich Boris Johnson ebenso wie Viktor Orban, Vladimir Putin oder Ilham Aliyev im Lichte der Spiele sonnen und alle an der Gelddruckmaschine beteiligten TV Anstalten, Webepartner und Sponsoren werden ihre Rolle spielen, um ebenfalls – wenigstens kurzfristig – von dem Rückenwind der großen Illusion eines internationalen Fußballturniers profitieren zu können.
Störgeräusche
Störgeräusche verhallen im Kommerzfußball ebenso schnell wie sie entstanden sind. Das System bleibt in seinen Eckpunkten stabil. Daran mögen auch die – durchaus gewichtigen Vorfälle der zurückliegenden Fußballwochen nichts Grundsätzliches ändern. Beispiele und Themen gibt es mehr als genug:
1) die Frage ob das mit 24 Teilnehmern aufgeblähte Turnier der Idee des sportlichen Wettbewerbs gerecht werden kann. Schließlich wird dadurch der Wert der Qualifikation und sogar der Wert der Vorrunde erheblich beschnitten
2) Die Unmenschlichkeit des Kommerzfußballs, die beim Vorrundenspiel Dänemark-Finnland zum Vorschein kam, als die Spieler von der UEFA genötigt wurden mit den Bildern ihres um sein Leben ringenden Mannschaftskameraden im Hinterkopf weiterspielen zu müssen.
3) Der Druck der im Vorfeld der EM auf die Ausrichterstädte ausgeübt wurde um Zuschauerkontingente bei den Spielen zu garantieren (trotz geltender Pandemiebeschränkungen).
4) Die Scheinheiligkeit der UEFA in Hinblick auf die selbst postulierten Werte ihrer so genannten „Respect Kampagne“, die am Tag der Absage der Illumination der Münchner Allianz Arena ad absurdum geführt wurde.
5) Die Auswahl der Hauptstadt Aserbaidschans (Baku) als Austragungsort der EM 2020 ungeachtet der dort stattfindenden Menschenrechtsverletzungen.
6) die Unfähigkeit Hygienevorschriften bei den Spielen einzuhalten.
7) Die Ignoranz gegenüber steigenden Corona Fallzahlen und die Fahrlässigkeit die Zuschauerzahlen in den Halbfinals und dem Finale bei gleichzeitiger Lockerung der Hygienemaßnahmen (Masken) bis an die Grenzen der Kapazität auszureizen.
Glaubwürdigkeitsproblem
Die Euro2020 hat der UEFA ein riesengroßes Glaubwürdigkeitsproblem beschert. Aber alles deutet darauf hin, dass man das in der Chefetage in Kauf nimmt. Wäre ja auch nicht das erste Mal (…). Wohlwissend das man auch in drei Jahren das gleiche Spiel erfolgreich abziehen kann und alle relevanten Politiker, Medienpartner und Werbepartner spuren werden.
Wozu also argumentieren?
Diese komfortable Ausgangslage blockiert jede Argumentation. Schlicht deshalb, weil die UEFA sich niemanden gegenüber rechtfertigen muss, denn das Geschäft mit dem Fußball wird auch in drei Jahren (EM 2024 in Deutschland) noch ertragreich sein. So ist auch zu erklären das die UEFA angesichts der Corona Thematik erst gar nicht versucht irgendetwas von dem, was ihre Profitgier vorantreibt, zu rechtfertigen.
Es genügt in der Chefetage sprachlos zu bleiben und Boris Johnson immer mehr Zugeständnisse in Hinblick auf die Inszenierung eines Finalspieltags abzuringen, in dem man so tut als gäbe es derzeit gar kein Problem mit dem totbringenden Virus, sondern allein die Aufgabe 60.000 Menschen ohne Masken und Hygienebeschränkungen gröhlend, singend, jubelnd und sich in den Armen liegend ein Fußballfest feiern zu lassen. Das ist die Botschaft, die man für die „Fans“ fernab des Mutterlands des Fußballs, vor allem in Asien, transportieren mag. Egal wer in Wembley oder anderswo in Europa dafür mit seiner Gesundheit zahlen muss.
Deshalb versucht selbst Rainer Koch nichts mehr zu rechtfertigen
So ist auch zu erklären das inzwischen auch Rainer Koch (DFB Vize und Mitglied der UEFA Exekutive) still hält und aufgehört hat den Unfug der UEFA irgendwie zu legitimieren und schön zu reden. Dabei hatte er zu Beginn des Turniers noch versucht den aufgeblähten EM Modus (24 Mannschaften) zu rechtfertigen und dabei sehr eigenwillige Ratschläge erteilt:
„Wenn ein deutscher Fußballfan an einem Spiel von Nordmazedonien kein Interesse
hat und sagt, dass sind mir jetzt eigentlich viel zu viele Spiele, dann möge er doch
bitte die Fernbedienung nutzen und sich ein anderes Programm anschauen oder gar
kein Fernsehen schauen“,
sagte der Jurist aus Poing bei München am 12. Juni im Interview mit RTL/ntv. (https://www.sport1.de/fussball/2021/06/dfb-vize-koch-verteidigt-em-modus (Zugriff :4. Juli 2021))
Kurz danach teilte er (ohne angefragt zu sein) über seinen Facebook Account seine Version einer UEFA Rechtfertigung hinsichtlich des Grundrechte Themas im Zusammenhang mit der homophoben Gesetzgebung in Ungarn mit:
„Da die Beleuchtung vom Münchner Stadtrat als eine gezielte Aktion gegen die
Entscheidung des ungarischen Parlaments begründet worden ist, handelt es sich nicht
mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von
Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion“,
schrieb das deutsche Mitglied der Exekutive der UEFA am 22. Juni 2021 bei Facebook. (https://www.sportbuzzer.de/artikel/dfb-rainer-koch-verteidigt-uefa-regenbogenfarben-munchen-stadion- reaktionen/(Zugriff :4. Juli 2021))
Wo bleibt die wertbasierte Argumentation?
Das was Koch bislang als Rechtfertigung formuliert hat wirkt hilflos. Vor allem deshalb, weil die Stoßrichtung eine pragmatische ist. Mehr nicht. Es fehlt eine ethische Basis. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn der DFB leistet sich im Zuge seiner Führungskrise die Vakanz seiner Ethikkommission, die sich zuletzt zu einem Teil des Machtspiels in der DFB Führungskrise instrumentalisieren ließ und damit Teil des Problems geworden war.
Genau an dieser Stelle sehe ich einen lohnenden Ansatz für die ersten Schritte in eine bessere Zukunft. Wir müssen über sport- und fußballbezogene Werte ins Gespräch kommen und uns darüber austauschen, welchen Fußball wir wollen….
Es ist immer wieder eine Freude Deine Artikel zu lesen!