50 plus 1 Regel

Nutzt die Chance zur Ausrichtung des zukunftsfähigen Fußballs!

Von Prof. Dr. Harald Lange

Das unumwundene Bekenntnis zu „50 plus 1“ würde dem Deutschen Profifußball eine unmissverständliche Ausrichtung geben. Eine klare Entscheidung, die geeignet wäre, im Richtungsstreit um die Zukunft des Profifußballs ein Prinzip zu etablieren.

Dahingehend, dass wir zentrale Werte das Sports (Solidarität, Chancengleichheit, Teilhabe, Fairplay, usw.) wieder glaubhaft in eine Leitbildfunktion bringen. Wir hätten – in diesem Fall – eine unmissverständliche Orientierung für alle Fragen und Themen, die sich aus der Debatte um die Zukunft des (Profi-)fußballs ergeben. Mit Blick auf den gewaltigen Glaubwürdigkeitsverlust, den der Profifußball vor allem während der zurückliegenden 16 Monate erlitten hat, wäre so eine Entscheidung also auch in wirtschaftlicher Hinsicht schlicht „goldwert“.

Zum Handel mit Fußballwerten
Demgegenüber würde aber auch das weitere Aushöhlen und neue Formulieren von Ausnahmen zur „50 plus 1-Regel“ ebenfalls eine Richtungsentscheidung zementieren: Der Handel mit den Werten des Fußballs würde weiterhin legitimiert, wodurch die oben angesprochenen Prinzipien des Sports einen enormen Werteverlust erleiden würden. „Fairplay“, „Solidarität“, das „Wettkampfprinzip“, „Chancengleichheit“ und die anderen Prinzipien wären im Lichte ihrer Käuflichkeit nur noch leere Worthülsen und wertlose Elemente einer kommerziellen Fußballfolklore.

Aus unternehmerischer Sicht wären sie aufgrund ihrer historisch gewachsenen Strahlkraft sicherlich noch ein paar Jahre wertvoll. Aber die Inflation dieser kulturbedingten Werthaltigkeit würde bereits am ersten Tag nach der Entscheidung gegen „50 plus 1“ beginnen.

Setzen wir ein Prinzip und schaffen Orientierung!
Setzen wir also ein Prinzip! Gerade jetzt inmitten der Krise. Denn nichts hilft einem Konzept mehr als eine klare (prinzipielle) Orientierung.

Die zentrale Frage, an der sich das zu setzende Prinzip orientieren muss, lautet: Wollen wir der Basis des Fußballs – den Vereinsmitgliedern – weiterhin die Mehrheit in den Fußballklubs überlassen? Oder übertragen wir diese Verantwortung (bzw. Macht) an diejenigen, die dafür zahlen (bzw. gezahlt haben)? Zählen also in der Entscheidungsfindung über die Zukunft eines Vereins nicht mehr die Mitglieder und Wähler, sondern das Investment einzelner Personen und Unternehmen? Sind sportbezogene Bedeutungen und Werte käuflich und kann man etwas, das im Laufe von Jahrzehnten als Kulturgut gewachsen ist, kaufen und zu seinem privaten oder unternehmerischen Eigentum machen? Würde dieser Handel zu unserem Demokratieverständnis passen? Ich weiß; das war eine rhetorische Frage: (…).

Zum prinzipiellen Unterschied
Da die Debatte um „50 plus 1“ emotional enorm aufgeladen ist, möchte ich den prinzipiellen Unterschied an einem anderen Beispiel sichtbar machen.

Die bei den Mitgliedern liegende Stimmenmehrheit unterscheidet den Sportverein von einem kommerziellen Anbieter von Sport (z.B. Fitnessstudio). Beides Einrichtungen, in denen Sport betrieben wird. Auf der Inhaltsebene kann es viele Gemeinsamkeiten geben (Fitness, Spaß, Gesundheit, Wellness,…).
Auf der Zielebene existiert jedoch ein Unterschied: Kommerzielle Sportangebote sind zuallererst auf Profit ausgerichtet. Vereinsangebote sind gemeinnützig und erwirtschaften keinen monetären Profit. Genau darin gründet ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – „unschätzbarer“ Wert: Dieser liegt in der Leistung für das Miteinander. Aber auch in der Leistung gegenüber dem Gegenstand: „Fußball“. Es gilt diesen Gegenstand zweckfrei zu pflegen, zu verbessern, zu kultivieren. So, dass sein Wert für uns und vor allem für die nachwachsende Generation erhalten, vertieft und gepflegt wird. Mehr nicht. Aber immerhin. Ich meine dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Idee des Fußballvereins
Fußballvereine sind durch die Investition an Ideen, Zeit, Leidenschaft und Emotionalität der Mitglieder zu dem geworden was sie heute sind: Bedeutende Teile unserer Bewegungs- und Sportkultur. Diesen kulturellen Wert kann man nur schwer in irgendeinen Geldwert übersetzen. Genau an dieser Stelle sehe ich die Achillesferse aller Versuche den Wert des Fußballs (und des Sports) in Kommerz zu übersetzen.

Idee des Kommerz
Die Betreiber kommerzieller Sporteinrichtungen gehen ein unternehmerisches Risiko ein, setzen ihr Kapital aufs Spiel und planen ein unternehmerisches Wachstum, das ihnen den „Return of Invest“ garantieren soll. Im Erfolgsfall würde der monetäre Wert des Fußballs gesteigert werden. Im Falle des Misserfolgs läge nicht nur der am Boden. Auch der kulturelle Wert des Sports wäre in Mitleidenschaft gezogen.

Ausblick
Je schneller eine unumwundene Entscheidung in der „50 plus 1“ Frage getroffen werden kann, desto schneller kann sich der Fußball nach der Krise der vergangenen 16 Monate regenerieren. So oder so: Er wird sich verändern.