Der Sport-Bild-Award für Dietmar Hopp und Karl-Heinz Rummenigge

Ein Kommentar von Boris Haigis (Institut für Fankultur)

Christian Seifert zeigte sich demütig, als er am 23.04.2020 vor die Presse trat. Die Liga hatte ihre Vollversammlung beendet und der Re-Start stand bevor. Seifert bat um Nachsicht für die deutschen Profiklubs und stellte eine Task Force über die Zukunft des Fußballs in den Raum. Die öffentliche Meinung war eindeutig: ein „weiter so“ dürfte es nicht geben.

Was ist von dieser Demut nicht einmal drei Monate später geblieben?

Viele störten sich schon damals daran, dass der Re-Start der Liga später via Bild-Zeitung publikumswirksam mit den Ministerpräsidenten Laschet und Söder sowie Watzke und Rummenigge verkündet wurde. Die Umfragen zeigten lange, dass der Bevölkerung anderes im Sinn stand, als millionenschwere Kicker zu retten. Auch die Argumentation, wonach am Fußball zig Arbeitsplätze hängen, ist lediglich auf den ersten Blick zutreffend: all die Ordner, Bratwurstverkäufer und Kioskbesitzer im Stadionumfeld haben nämlich herzlich wenig von den ausgetragenen Geisterspielen.

Talkrunden stellten sich die Frage, wie es „nach Corona“ weitergehen würde, Fangruppen wurde deutlich vor Augen geführt, dass die Maschinerie auch ohne sie weiter am Laufen gehalten wird. Auch die Fernsehzuschauer stimmten dementsprechend mit der Fernbedienung ab: die anfänglich guten Quoten sanken rasch und deutlich. Wenn man hierzu noch die verhinderten Stadiongänger rechnet, dann bedeutet das schnell einen Verlust von etwa 2 Millionen Zusehern am Wochenende- Zahlen die alarmieren sollten, Zahlen, die verdeutlichen sollten, dass dringend Veränderungen geboten sind, um das liebste Kind der Deutschen wieder salonfähiger zu machen. Just als diese Diskussionen an Fahrt aufnahmen, sich eine überregionale Gruppe namens „Unsere Kurve“ positioniert und auch die Spieler eine Art Bündnis schließen, um zukünftig gehört zu werden, kommt die Sport-Bild mit einem Award für die „Geste des Jahres“ um die Ecke.

In der Überschrift heißt es „Unsere Pflicht ist, dass so etwas nie wieder passiert“. Die Worte „nie wieder“ sind hierbei hervorgehoben- ein bekannter Slogan gegen Rassismus, der dafür steht, dass es Zeiten wie zwischen 1933 und 1945 eben „nie wieder“ geben soll. Geehrt werden aber nicht der Mönchengladbacher Thuram, der nach der Tötung von George Floyd als Zeichen den mittlerweile berühmt gewordenen Kniefall präsentierte, auch nicht Dortmunds Sancho oder Schalkes McKennie, die ebenfalls mit wichtigen Gesten ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzten, nein, geehrt werden die Herren Hopp und  Rummenigge.

Zur Erinnerung: am 29.02.2020 präsentierten Mitglieder von Ultragruppen des FC Bayern in Sinsheim Transparente gegen Dietmar Hopp. Beim Stand von 0:6 und nach einer Unterbrechung spielten sich Hoffenheim und der FC Bayern in den letzten neun Minuten die Bälle hin und her, ein Fußballspiel kam nicht mehr zustande. Während des Spiels stellten sich Hopp und Rummenigge gemeinsam an die Seitenlinie, nach dem Spiel gemeinsam vor die „Kurve“ der Heimelf. Dies wurde nun als Geste des Jahres ausgezeichnet. Die Sport-Bild verzichtete übrigens darauf, zu erläutern, nach welchem Modus diese Geste vergeben wurde, ob es eine Abstimmung hierüber gab, Alternativvorschläge oder es redaktionell „beschlossen“ wurde, all das bleibt dem Leser verborgen.

Hopp und Rummenigge erzählen von besagtem Tag. Eine kritische Frage seitens der Sport-Bild bleibt vollständig aus. Reporter Matthias Brügelmann legt damit ein ähnliches journalistisches Verständnis vor, welches schon Jochen Breyer bei seinem Sportstudio- „Interview“ mit Dietmar Hopp zu Corona-Zeiten an den Tag gelegt hat. Hopp fordert, deutsche Polizeibeamte zu schützen und Tickets zu personalisieren und lobt die Stimmung in England, Rummenigge kritisiert Fangruppen die permanent Forderungen stellen würden und behauptet, der Fußball würde denen gehören, die ihn spielen- und damit folglich keinesfalls den Fans.

Man könnte dieses Interview an gewissen Stellen als Realsatire bezeichnen, es ist jedoch viel mehr als das. Es ist ein Zeichen sowohl der Sport-Bild als auch der Herren Rummenigge und Hopp, ein Zeichen, wonach diese nicht bereit sind, die angedachten Neuerungen zu akzeptieren. Rummenigge steht für den TV-Vertrag und die Bevorteilung von Bayern München, Hopp für die Kommerzialisierung des Fußballs und legale Umgehungstatbestände zu 50+1. Faninteressen sind den beiden völlig fremd. Die Sport-Bild stellt sich hinter diesen Kurs und erstickt jedwede Diskussion um Veränderungen im Fußball im Keim. „Nie wieder“ in einer derartigen Form zu missbrauchen, sollte sich allerdings angesichts der Rassismus-Debatten von selbst verbieten. 

Der Kampf um die Deutungshoheit im deutschen Fußball ist im vollen Gange. Demut sind in diesem Kampf jedenfalls von Hopp, Rummenigge und der dem Springer-Verlag zugehörigen Sport-Bild nicht zu erwarten.